Nachtrag, Bausoll, Massenmehrung und Sowiesokosten
Das sind Begriffe, die Ihnen in Zeiten des Baubooms und damit verbundenen Baukosten unterkommen können. Was es bedeutet, wenn Ihr Baupartner mit diesen Bezeichnungen für Mehrkosten auf Sie zukommt und wie Sie damit umgehen, erkläre ich Ihnen in diesem Blogbeitrag.
Bauboom in Coronazeiten sorgt für steigende Rohstoffpreise
Ein Exkurs am Beispiel Holzbau: Weil der Hausbau in Coronazeiten weltweit boomt, steigt die Nachfrage nach Holz seit Mitte 2020 im In-und Ausland enorm an. In Deutschland sprechen wir von Preissteigerungen von bis zu 40% für Bauholz. Zimmereien sind damit vor große Herausforderungen gestellt, da die Nachfrage stärker wächst als das Angebot. Zimmereien, die verbindliche Angebote bei ihren Kund:innen abgegeben haben, haben nun ein Problem. Und wie sollen die Zimmereien Baustellen abwickeln, wenn das Holz dazu fehlt?
Die Kehrseite der Medaille ist, dass Sie als Bauende mit Nachträgen konfrontiert werden können, die Sie in dieser Höhe nicht kalkuliert hatten.
Und: Wie sollen Sie als private Bauherr:in damit umgehen? Am unserem obigen Beispiel festgemacht, können in der aktuellen Situation bei einem durchschnittlichen Bauprojekt schnell Mehrkosten von rund 10.000 Euro auf Sie zukommen — und das bei einem Gewerk.
In Zeiten der Kostenexplosion auf Deutschlands Baustellen ist es deshalb umso wichtiger, dass:
- Sie einen Festpreis vereinbart haben.
» Lesen Sie dazu auch diesen Blogbeitrag. - Sie wissen, was im Leistungsverzeichnis steht und es vollständig ist.
- Sie sich nicht beirren lassen und Nachforderungen nicht einfach akzeptieren
Wenn keine klaren Vertragsregelungen vorliegen, müssen Bauende leider häufig mit dem Bauunternehmer über Geld streiten.
Worte wie:
- Nachtrag
- Massenmehrung
- Sowiesokosten
tauchen da immer wieder auf und schaffen Verwirrung. Deshalb bringe ich ein wenig Licht ins Dunkel:
Zunächst zu den Definitionen:
Nachtrag:
Ein Nachtrag ist eine zusätzliche und neue Leistung, die nicht im ursprünglichen Vertrag und der Baubeschreibung enthalten war. Nachträge müssen schriftlich vereinbart werden. Experten sprechen bei einem Nachtrag auch vom Abweichen des „Bausoll“. Klingt komisch, stimmt. Zeigt aber auch genau, was gemeint ist.
Das Bausoll „soll“ im Sinne von „muss“ der Unternehmer für den vereinbarten Preis liefern.
Alles was vom Bausoll abweicht ist in der Regel ein Nachtrag, der auch nachträglich etwas kostet- es sei denn, er war bereits im Bausoll enthalten. 😊
Bei Nachträgen gilt: Vor dem Zuschlag bitte mit einem Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht sprechen!
Tipp: Niemals vorschnell zahlen. Was in der Baubeschreibung enthalten war (Bausoll) kann niemals ein Nachtrag sein!
Massenmehrung:
Von Massenmehrung spricht man, wenn die Massen auf der Baustelle größer sind als angenommen. Viele nennen es auch das „Unwort“ zur Rechtfertigung eines Nachtrages. Häufig ist es so, dass es keine tatsächliche Massenmehrung gibt, sondern der Unternehmer bei seinem Angebot und dem Aufmaß vor dem Angebot, nicht gründlich genug war und falsch gerechnet oder geplant hat. Von Mehrmengen sprechen die Baujuristen häufig dann, wenn es zu einer 10 % Steigerung des Leistungsumfangs kommt, obwohl das nicht immer richtig ist. Sie bemerken: Das Thema ist komplex und genau deshalb ist es für die privaten Bauherren auch so schwer das alles nachzuvollziehen, was der Unternehmer als Mehrkosten vorrechnet und nachfordert.
Mein Tipp: Niemals vorschnell zahlen. Die Massenmehrung vorrechnen lassen und dabei das ursprüngliche Angebot hinzuziehen — sowie einen Bauexperten!
Sowiesokosten:
Zu guter Letzt: Die Sowiesokosten. Hierzu gibt es in den Baulexika immer wieder interessante Erklärungen, mir gefällt diese am besten: Nachzulesen beim Bauprofessor:
„Sowieso-Kosten sind rechtlich im Zusammenhang mit einer Mängelbeseitigung und einem eventuellen Schadenersatz zu ausgeführten Bauleistungen zu sehen. Sie umfassen allgemein jene Kosten, die dem Bauherrn bzw. Auftraggeber auch entstanden wären, wenn die Bauleistung mängelfrei erbracht worden wäre.“
Alles klar? Hmm. Wohl eher nicht….
Daher mal ein Beispiel aus dem Leben einer Bauretterin 😉
Wenn der Architekt, der die Bodenplatte und die Gründung nicht richtig geplant hat ‑und es zu Schäden kommt- sich damit verteidigt, dass die Mehrkosten für die Gründung kein Schaden sind, sondern Sowiesokosten sind. Begründung: Hätte er, der Architekt, von Anfang an richtig geplant, wären die Mehrkosten auch – im Sinne von – „sowieso“ entstanden.
Sie können sich vorstellen, dass es zu diesen Themen viele gerichtliche Entscheidungen gibt und hier stelle ich eine recht aktuelle Entscheidung vor, die man kennen sollte:
OLG Dresden, Urteil vom 02.04.2020 — 12 U 446⁄18
Die Richter hatten einen ähnlichen Fall zu entscheiden und kamen zu folgendem Ergebnis:
- Ist die Leistung detailliert in einem Leistungsverzeichnis beschrieben, umfasst der vereinbarte Preis die Leistung nur in ihrer jeweils angegebenen Größe, Güte und Herstellungsart. Übersetzt heißt das: Man bekommt nur das, was tatsächlich im Vertrag steht. So sieht das der Bundesgerichtshof auch nachzulesen in (BGH, NJW 1984, 2457)
- Erweist sich die vereinbarte Ausführungsart nachträglich als unzureichend und werden Zusatzleistungen erforderlich, kann der Auftragnehmer eine Nachtragsforderung in Höhe der Kosten geltend machen, um die das Werk bei ordnungsgemäßer Ausführung von vorneherein teurer gewesen wäre ( Sowieso-Kosten).
- Der bis zur Abnahme der Leistung vorleistungspflichtige Unternehmer kann allerdings die Ausführung notwendiger Zusatzleistungen nicht von der Annahme seines Nachtragsangebots abhängig machen. Bei einem Streit über etwa erforderliche Mehrkosten muss der Unternehmer die Leistung zunächst erbringen und eine seine Ansprüche ggf. gerichtlich durchsetzen.
Was zeigt uns das Urteil:
Vertragsklarheit ist das Zauberwort — „Hex,Hex“
Das Leistungsverzeichnis muss nicht nur vollständig, sondern auch richtig sein, um Nachträge und Sowiesokosten zu vermeiden.
Daher muss das Leistungsverzeichnis als Herzstück Ihres Vertrages verstanden werden. Nur wenn das Leistungsverzeichnis richtig und vollständig ist und die AGBs des GU nebst Bauvertrag fachanwaltlich überprüft sind, kann man sicher sein, dass man nicht von Nachträgen, Massenmehrungen und Sowieso-Kosten überrascht wird.
Ich rate Ihnen: Bereiten Sie sich als Bauherr:in von Anfang an gut auf Ihr Bauprojekt vor. Das geht mit meinem Online-Kurs Bauführerschein. In meinem Online-Kurs befassen wir uns auch mit dem notwendigen Inhalt des Leistungsverzeichnisses und wie Sie dieses genau überprüfen können.
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