Kann sich der Bauunternehmer oder Bauträger pauschal auf eine Behinderung durch die Corona-Pandemie oder den Krieg in der Ukraine berufen?
Kann sich der Bauunternehmer oder Bauträger pauschal auf eine Behinderung durch die Corona-Pandemie oder den Krieg in der Ukraine berufen?
Diese Frage hatte das Kammergericht Berlin in seinem Urteil vom 24.05.2022 zu klären. Für Bauunternehmer ist diese Behauptung natürlich eine bequeme Sache. Jeglicher Verzug während des Bestehens von Corona-Beschränkungen wird einfach auf die Pandemie oder auf den Krieg in der Ukraine geschoben. Der Unternehmer könne dafür ja nichts. Die Verbraucher aber auch nicht!
Das zuständige Gericht hat nun gezeigt, dass es so einfach nicht geht. Das Wichtigste vorweg:
Grundsätzlich kann sich ein Unternehmer auf Behinderungen durch die Corona-Pandemie berufen. Aber: Dafür muss er konkret darlegen, wie sich dieser Umstand im Einzelfall genau ausgewirkt hat.
In dem zu entscheidenden Fall ging es um folgenden Sachverhalt:
Ein Bauträger verpflichtete sich durch notariellen Vertrag bis zum 30.06.2018 eine Wohneinheit herzustellen und an die Erwerber der Neubauwohnung zu übereignen. Tatsächlich wurde die Wohnung erst am 06.07.2020 übergeben. Daraufhin nahmen die Käufer der Eigentumswohnung die Bauträgerin auf Schadensersatz wegen Verzuges u.a. für die angefallenen Mietkosten hinsichtlich einer Ersatzwohnung sowie für zusätzlich entstandener Bereitstellungszinsen in Anspruch. Die Beklagte verteidigte sich mit der Behauptung, dass ihr die verspätete Fertigstellung zumindest teilweise nicht angelastet werden könne, weil aufgrund der Beschränkungen wegen der Corona-Pandemie Arbeitet nicht nach Deutschland einreisen und darüber hinaus Baumaterialien nicht geliefert werden konnten.
Das Kammergericht urteilte folgendermaßen:
Grundsätzlich könne es sein, dass ein Bauunternehmer eine Verzögerung der Leistung nicht zu verantworten habe, wenn sie auf eine schwerwiegende und nicht vorhersehbare Änderung der wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen zurückzuführen sei. Allerdings müsse der Unternehmer dies anhand einer konkreten bauablaufbezogenen Darstellung erklären.
„Der Unternehmer hat vorzutragen, welcher seiner Arbeitsabläufe durch einen solchen Umstand wann gestört wurde, wie lange die Störung andauerte und wie dies konkret die Fertigstellung der Arbeiten beeinflusst hat. Dabei ist zu beachten, dass die Störung eines einzelnen Ablaufs nicht zwangsläufig zur Verzögerung des Gesamtablaufs führen muss, nämlich dann nicht, wenn andere Abläufe, die von der Störung nicht betroffen sind, vorgezogen und der gestörte Ablauf nachgeholt werden kann, ohne dass sich die Gesamtfertigstellungszeit hierdurch verlängert.“ (Kammergericht Berlin, Urteil vom 24.05.2022 – 21 U 156⁄21)
Dieser Beweis- und Darlegungslast habe die Beklagte nicht genüge getan, weshalb den Klägern der geltend gemachte Schaden im Ergebnis der Höhe nach ersetzt wurde.
Was bedeutet diese Entscheidung nun für den Verbraucher?
So einfach, wie sich Unternehmer auf die Corona-Pandemie, Lieferengpässe oder jüngst auch auf den Krieg in der Ukraine berufen, geht es nicht. Die Entscheidung gilt übrigens nicht nur für Bauträgerverträge sondern auch für andere Bauverträge zum Beispiel Fertighausverträge.
Diese 4 Punkte MUSS ein Auftragnehmer oder Bauträger konkret schriftlich nachweisen, bevor er sich bei Lieferengpässen oder Verzug auf die Pandemie oder den Ukrainekrieg berufen kann:
1. Schwere, unabwendbare und unvorhersehbare Umstände
2. Konkrete Bauablaufbezogene Darstellung
3. Keine Möglichkeit des Ausgleichs durch das Vorziehen von nicht gestörten Abläufen
4. Im Zweifel wird gemäß § 286 Abs. 4 BGB ein Verschulden des Bauunternehmers vermutet
Übrigens: Bei einem Vertrag, der nach dem Eintritt dieser schweren Umstände geschlossen wurden- also nach März 2020 oder Februar 2022- kann sich der Unternehmer ohnehin nicht auf die Pandemie oder den Krieg in der Ukraine berufen, denn zum Zeitpunkt der Unterzeichnung waren diese Umstände bekannt und damit vorhersehbar.
Sodann muss der Unternehmer dies bei seinen vertraglichen Versprechungen berücksichtigen. Bei einem Vertrag vom 01.05.2022 wird es dem Unternehmer also nur schwer möglich sein sich beispielsweise auf Lieferengpässe zu berufen.
Letzter Tipp: Häufig gibt es in Verträgen mittlerweile sogenannte „Corona-Klauseln“. Dies Unterliegen in der Regel der AGB Kontrolle gemäß der §§ 305 ff. BGB und können für nichtig erklärt werden, wenn sie den Verbraucher unangemessen benachteiligen. Eine rechtliche Überprüfung lohnt sich hier meistens! Preisgleitklauseln gegenüber Verbrauchern sind in der Regel unwirksam!
Wir von der Kanzlei Reibold-Rolinger checken Ihren Vertrag.
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