Eigenleistungen werden spätestens dann zum großen Thema, wenn es um die Frage der Baufinanzierung geht.
Aber können Sie damit wirklich Geld sparen? Welche Eigenleistungen können Sie selbst übernehmen? Wir beleuchten ehrlich, worauf Sie bei der Einplanung von Muskelhypotheken achten müssen und was dabei die Vor-und Nachteile sind. Baufinanzierungsexperte Sven Hennemann von Baufi-Solution hat uns dazu ein Interview gegeben.
Die Definition von Eigenleistungen beim Hausbau ist:
Eigenleistungen, auch sogenannte Muskelhypotheken, sind Arbeiten beim privaten Hausbau, die in Eigenleistung ausgeführt werden. Als Eigenleistung gelten dabei nicht nur Arbeiten, die Sie selbst ausführen, sondern auch solche, die von Freunden oder Familienmitgliedern übernommen werden.
Gründe, weshalb manche privaten Bauherren auf Eigenleistungen setzen:
Es gibt in der Regel zwei Gründe, weshalb Bauherren bestimmte Arbeiten in Eigenleistung ausführen möchten:
- Sie möchten durch Eigenleistungen in ihrem Finanzierungskonzept den Anteil des erforderlichen Eigenkapitals senken. Ob und wie Sie dadurch einen günstigeren Sollzinssatz erhalten, sollten Sie individuell mit Ihrem Finanzierungsberater besprechen. Diese Einbindung von Eigenleistungen in die Finanzierung bezeichnet man als Muskelhypothek.
- Sie wollen Geld sparen: Als versierter Handwerker oder durch Handwerker im Freundes- oder Bekanntenkreis werden Gewerke, die man sonst an fremde Handwerksfirmen vergibt, selbst ausgeführt. So ergibt sich ein hohes Einsparpotential.
Keine Frage – beide Gründe sind nachvollziehbar.
Welche Vor-und Nachteile Eigenleistungen beim Hausbau haben, worauf Sie achten sollten und weshalb Manuela Reibold-Rolinger dazu Klartext spricht, erfahren Sie hier:
Am Hausbau oder Umbau seine handwerklichen Fähigkeiten in Form von Eigenleistungen einzubringen, macht sich finanziell bemerkbar. Viele Banken rechnen die Muskelhypotheken zumindest teilweise als Eigenkapital an. Das senkt die Kosten für die Baufinanzierung sowie die Baukosten. Aber…
Sven Hennemann, unabhängiger Experte für Baufinanzierungen, CEO und Founder von baufi-solution, erklärte uns im Gespräch dazu Folgendes:
„Mir tut es in der Seele weh, wenn Eigenleistungen von manchen Baufinanzierern pauschal mit 10.000 Euro angesetzt werden, obwohl ein höheres Einsparpotential vorhanden ist und dann ein schlechter Beleihungsauslauf angesetzt wird. Gerade beim Hausumbau sind hier gute Quoten zu erzielen. Deshalb schauen wir bei unseren Kunden genau hin und beraten individuell. Dabei beleuchten wir auch, wie realistisch die Selbsteinschätzung der Bauherren ist, welche Eigenleistung erbracht werden soll und wer letztendlich als Helfer zur Verfügung steht. Durch leichtere Arbeiten wie beispielsweise Trockenbauarbeiten oder Arbeiten an der Aussenanlage, Verlegen von Bodenbelägen oder Tapezierarbeiten sind 15.000 Euro Einsparpotential ohne Probleme machbar.“
Was ist der Beleihungsauslauf?
Unter Einbeziehung der Eigenleistung errechnet sich der sogenannte Beleihungsauslauf.
Das ist ein Begriff dem Sie früher oder später im Rahmen Ihrer Baufinanzierung begegnen und zu dem es hier bald einen zusätzlichen Blogbeitrag mit Rechenbeispiel gibt. Sven Hennemann von Baufi-solution:
„Der Wert des Beleihungsauslaufs sinkt in Prozentschritten. Mit einer realistischen Bewertung Ihrer Eigenleistung sinkt dadurch der Anteil der Beleihung Ihrer Immobilie, was wiederum zu günstigeren Zinsen führt.“
Banken akzeptieren in der Regel bis zu 15 Prozent der Darlehenssumme als Eigenleistung – meist aber nicht mehr als 30.000 Euro. Ab 20.000 Euro wird eine Bonitätsprüfung für sogenannte “nachzuberechnende Kosten” (z.B. durch Bauzeitverzögerung, Mängel,…) fällig.
Wir halten also fest: Ja, es kann durchaus sinnvoll sein, Eigenleistung in die Finanzierung einzukalkulieren, wenn sie wirklich realistisch berechnet werden. Dazu raten wir Ihnen, sich die Beratung von unabhängigen Experten für Baufinanzierung einzuholen.
Hier weiß Sven Hennemann aus eigener Erfahrung zu berichten:
„Meist ist es doch so: Von 10 angekündigten Helfern sind nur drei richtig zuverlässig. Wenn hinzu kommt, dass als Eigenleistung Arbeiten einkalkuliert sind, die schwere Mängel nach sich ziehen können, wird es problematisch. Deshalb raten wir unseren Kunden dazu, tatsächlich nur selbst Hand an Gewerke zu legen, die leicht umsetzbar sind.
Außendämmung, Elektrik- und Heizungsinstallationen oder gar die Gründung des Hauses (also die Bodenplatte) sollten deshalb keinesfalls in Eigenleistung erbracht werden. Damit riskiert man Schäden, die hohe Zusatzkosten nach sich ziehen können und letztendlich eine Nachfinanzierung nötig machen. Ebenso wichtig ist, die eigenen Kräfte und die Vereinbarkeit mit dem Job realistisch einzuschätzen. Auf Dauer wird ein Arbeitgeber ungemütlich, wenn Sie bis spät in die Nacht hinein Arbeiten auf Ihrer Baustelle erledigen und am nächsten Tag unausgeruht und unkonzentriert zur Arbeit erscheinen.“
Was Ihnen als Bauherr auch klar sein muss: Eigenleistung sind Kosten, die fiktiv in ein Finanzierungskonzept einbezogen werden. Diese werden Ihnen vom Finanzierer oder Bauunternehmer niemals bar ausgezahlt. Es handelt sich also um fiktive Kosten!
Manuela Reibold-Rolinger, Bauglück Gründerin und Expertin für Verbraucherbaurecht bewertet das Thema Eigenleistungen an der eigenen Baustelle sehr kritisch. Sie rechnet knallhart, aber realistisch vor:
„…wenn man einen Bauunternehmer durch Eigenleistungen um 35.000 Euro im Preis drücken möchte, muss man davon ungefähr 15.000 Euro als Materialkosten veranschlagen, die so oder so anfallen. Der Unternehmer hat für die Arbeiten und den Lohn seiner Arbeiter also etwa 20.000 Euro kalkuliert. Geht man von einem üblichen Stundenlohn von 50 Euro pro Facharbeiterstunde aus, dann hat der Unternehmer bei 20.000 Euro also etwa 400 Stunden eingeplant, verteilt auf mehrere Arbeiter. Wenn man als Privatperson diese Lohnarbeiten selbst macht, braucht man mindestens doppelt so lange wie ein Facharbeiter, in diesem Fall also rund 800 Stunden. Will man abends noch vier Stunden anpacken, was nach einem anstrengenden Arbeitstag schon ein hartes Stück ist, dann wäre man ununterbrochen – auch am Wochenende – 200 Tage oder fast sieben Monate durchgehend mit den Eigenleistungen beschäftigt. Das ist in der Praxis unmöglich!….“
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